Donnerstag, 1. Juli 2010

Bundespräsident Wulff

Die Medien nennen es zum Teil "Wahlkrimi"... Die Marathon-Bundesversammlung mit drei Wahlgängen war in der Tat spannend bis zum Schluss. Auch das Ergebnis stimmt versöhnlich: Im letzten Wahlgang war es sogar die absolute schwarz-gelbe Mehrheit, die für Wulff votiert hat.

Doch könnte sich dieser später Wahlsieg doch noch als Pyrrhussieg für Kanzlerin Merkel erweisen. Über die Personalie Wulff will ich an dieser Stelle, im Gegensatz zu vielen anderen "Qualitäts"journalistischen Medien kein Wort schreiben, da diese Debatte dem Amte des Präsidenten absolut unwürdig ist. Allerdings zeigt die Wahl von Wulff deutlich, dass die schwarz-gelbe Koalition nach wie vor, gut ein dreiviertel Jahr nach dem damaligen Wahlerfolg, nicht im geringsten funktioniert und zusammenarbeitet. Jetzt nach der Wahl beginnt natürlich die große Zeit der Schuldzuweisungen, die ebenso wie die vorherigen Debatten bei schwarz-gelb kein Ende mit Ergebnissen finden wird. Merkels Führungsschwäche (aka "moderierender Führungsstil") rächt sich an dieser Stelle, die vielfach angesprochenen Denkzettel werden vorm Hintergrund der tatsächlichen freien und geheimen Wahl in der Bundesversammlung verteilt. Wo sie herkommen, ist natürlich nicht ermittelbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass die "Abtrünnigen" aus Reihen der Union selbst stammen, ist dabei wesentlich größer, als aus Reihen der FDP - diese hatte von vornherein klargestellt, dass es freie Wahlen sind und so auch Mitglieder aus den ostdeutschen Landesverbänden frei sind, ihre Stimme dem ebenso qualifizierten wie zu schätzenden Joachim Gauck als möglichem neuen Bundespräsidenten zu geben. Für eine Mehrheit von Gauck fehlte indes doch die Beteiligung der Neo-SED, die einmal mehr gezeigt hat, wie weit weg sie von der Realpolitik Deutschlands im Jahre 2010 steht. Es ist darüber hinaus traurig zu sehen, wenn in Reihen der Neo-SED kaum jemand, außer Luc Jochimsen, bei der Nationalhymne mitsingt. Selbst die Grünen und die SPD bewahren da ihren demokratischen Geist und verhöhnen den von der Linken so verhassten Staat nicht.
Ich sehe Wulff durch die späte Wahl in keinster Weise geschwächt, auch wenn der sich wieder deutlich links positionierende Spiegel andere Töne anschlägt ("Fehlstarter Wulff") - man muss hier zwischem Amt und Amtsperson und Wahl trennen. Das Wahlergebnis steht letztendlich für die Gräben in der Koalition, nicht für die Abneigung gegen den Staatsmann Wulff - folglich ist die Debatte um die "Beschädigung" von Wulff müßig. Was es zu diskutieren gilt, ist allerdings der Impact auf die schwarz-gelbe Koalition in Berlin. Deutlich geschwächt und beschädigt geht Angie I. aus der Wahl hervor, ebenso wie die Fraktionschefs von CDU und CSU, denen es offensichtlich nicht gelungen ist, parteiinterne Querelen aus der Präsidentenwahl herauszuhalten. Das zeigt deutlich die programmatische Schwäche der CDU, jetzt rächt sich der unklare Kurs der Stimmenjagd bei der politischen Mitte und Wettkampfes mit der SPD um diese; konservative Kreise in der CDU haben da sicherlich andere Vorstellungen und haben nun gezeigt, wie weit sie für ihre Überzeugungen zu gehen bereit sind.

Wenn Merkel ihre Regierung noch bis 2013 retten will, muss jetzt ein konsequenter Reformkurs auf Basis des Koalitionsvertrages gestartet werden. Viele der Probleme sind hausgemacht, indem zu sehr auf den Populismus geschaut und so weichgespülte Konzepte statt echter Lösungsansätze angeboten werden. Wenn man auf die FDP hörte und endlich das Steuersystem umfassend refomieren würde, könnten viele Probleme wie die kommunale Finanzierung oder auch Gerechtigkeitsdifferenzen besser angegangen werden. Hier gilt aber entgegen des westerwelleschens Steuersenkungsmantras die Devise "Struktur vor Höhe", folglich also zuerst eine Systemreform (Ausnahmen abschaffen, Basis verbreitern, etc pp), erst dann kann man über Senkungen sprechen. Zudem sollte man sich nicht davor verschließen, Reiche stärker zu belasten - komisch, dass gerade Rot-Grün, die seinerzeit den Spitzensteuersatz massiv gesenkt haben, jetzt eine Erhöhung einfordern. Ebenso ist der Bereich Gesundheit höchst problematisch und kritisch für den Regierungserfolg. Dieser wird sich dank der immerzu querschießenden und den Koalitionsvertrag vollkommen ignorierenden CSU aber nicht einstellen; und mit der gesetzlichen Krankenversicherarbeitskostenentkoppelte Kopfpauschale nicht wesentlich weniger schmerzt als die gerade Gering- und Nichtverdiener extrem treffenden Erhöhungen der Zuzahlungsbeträge, ist doch sehr zu vermuten.

Wenn Merkel das aber nicht gelingen sollte, wird die Regierung sich bestenfalls bis 2013 durchquälen, realistisch aber wohl bis 2012 auseinanderbrechen und Neuwahlen heraufbeschwören.

Für Deutschland ist jedenfalls zu hoffen, dass sich insb. die CSU endlich zusammenreißt und an einem gemeinsamen Strang innerhalb der schwarz-gelben Koalition zu ziehen, um den Karren Deutschland endlich aus dem Dreck zu ziehen.

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